Open Air an der Höckerlinie: Chanson trifft Lied
Rund 100 Gäste ließen sich am 23. Juni 2023 auf die spannende Frage ein: Was erwartet einen eigentlich bei einem Open-Air-Konzert, dessen Programm buchstäblich bis zum letzten Moment offensteht?
Sie wurden nicht enttäuscht: Die heitere und entspannte Stimmung passte perfekt zu dem lauen Sommerabend. Zu hören bekamen die Besucher brandneue Lieder und Chansons, die zuvor in einem Projekt in der Europäischen Akademie Otzenhausen entstanden waren. Sechs junge Songpoetinnen und -poeten aus Deutschland und Frankreich hatten einen gemeinsamen Blick auf die vielen Facetten der Deutsch-Französischen Freundschaft geworfen. Aus diesen „Regards croisés“ entstand ein bemerkenswertes, rund einstündiges Open-Air-Konzert an der Höckerlinie. Dabei hatten sich die politische Bildung während der Projektwoche und die künstlerische Arbeit ganz toll ergänzt, wie eine Künstlerin sagte.
Gegen 19.00 Uhr war es so weit: Moderiert von Gerd Heger, „Monsieur Chanson“ beim Saarländischen Rundfunk, zeigten Mary Bach aus Sigalens, Mathilde Kaori aus Hellemes sowie Evelyn Kreb aus Metz (jeweils Frankreich) ebenso wie Benjamin Branzko aus Hamburg, Philipp Dewald aus Trier und Vivien Dollmann aus Pforzheim, dass das junge französische Chanson und das heutige deutsche Lied außerordentlich lebendig sind.
Ihre Songs, die sie im deutsch-französischen Duo unter der Leitung von Antoine Villoutreix selbst geschrieben hatten, gingen mal unter die Haut, mal in die Beine. Und zwar nicht „irgendwo“, sondern am Erinnerungspfad Höckerlinie Otzenhausen: einem Mahnmal aus dem Zweiten Weltkrieg, dem sie mit ihrer Musik die heutige, ganz andere Lebenswirklichkeit entgegensetzen.
So behandelten die Chansons Kriegserfahrungen und das daraus resultierende „Nie wieder“. Wer sich aber auf einen durchweg ernsten und melancholischen Abend eingestellt hatte, wurde eines Besseren belehrt: Mindestens ebenso wichtig waren fröhliche Lieder, die das heutige deutsch-französische Miteinander widerspiegelten und sich auf das Publikum übertrugen. Evelyn Kreb und Philipp Dewald brachten es in einem Lied auf den Punkt, dessen vorgebliche „Banalität“ angesichts der Geschichte eben alles andere als banal ist: „Im Grünen zwischen Lothringen und Saar breiten wir unsere Picknickdecke aus. Hier fühlen wir uns zu Hause, als wenn es niemals anders war."
Freundschaft heißt Amitié!
Hintergrund
Seminar und Konzert fanden anlässlich des 60jährigen Jubiläums der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags statt, der den Grundstein für die Deutsch-Französische Freundschaft legte. Er zielte ab auf Völkerverständigung und Aussöhnung und auf den Aufbau eines friedlichen und wohlhabenden Europas.